Borrowed an Auditor´s Instrument

Insatllation, collage, paper, adhesive foil, copying pencil, Schaufenstergalerie Scharf, Graz 2014
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Peter Angerer zur Ausstellung Borrowed an Auditor´s Instrument von Sarah Bildstein, Graz 2014

Wir haben es in Sarah Bildstein´s Beitrag in der Schaufenstergalerie Scharf beim Feinkost Mild mit einer geometrischen Formensprache zu tun, die in einen mehrfach bemerkenswerten Kontext eingebunden ist. Die Referenzen liegen nicht, wie man vielleicht vermuten würde, im Außen, in der sichtbar gestalteten, gebauten Umwelt, sondern in inneren, vorgestellten Bildern bzw. im Bereich eines elementaren psychophysischen Formvokabulars. Genauer besehen, handelt es sich auch nicht um Arbeiten geometrischer Abstraktion als vielmehr um Konkretion – eine künstlerische Setzung. Bemerkenswert scheint mir dabei, dass die Berufung auf die innere Bildwelt, die ja nicht selten auftritt, nicht die expressive, gestische Linie zur Folge hat, sondern zu diesen klaren, analytisch anmutenden Arbeiten führt. Transparenz und das Kippen von Flächen in dreidimensionale, körperhafte Teile sind die grundlegenden Stilmittel. Im Kontext der österreichischen Zeichentradition, die ganz wesentlich im expressiv figurativen Bereich angesiedelt ist, befindet man sich mit diesen Arbeiten allerdings in einer (wichtigen) Randposition. Assoziative Bezüge zu architektonischen Formen drängen sich im Ergebnis zwar auf und doch ist die Generierung dieser Elemente eher Gedankengebäuden geschuldet, denn realen Gebäuden.

Aus kunsthistorischer Sicht bietet sich der Abgleich mit Arbeiten konstruktiver Kunst an, wie sie im 20.Jh. in der Folge des russischen Konstruktivismus immer wieder formuliert wurden. Postmodernen Ansätzen fehlt jedoch der universelle, gesellschaftspolitische Anspruch, der mit der Entwicklung dieser Formensprache verbunden war. Sehr wohl hör ich aber aus dem Gespräch mit der Künstlerin die Kritik an den bestehenden politisch-ökonomischen Verhältnissen heraus. Neoliberalistische Grundzüge einer Gesellschaft sind von Selbstausbeutung und Selbstoptimierung bestimmt, betroffen davon sind vermutlich in hohem Maße Künstlerinnen und Künstler. Letztlich geht es aber auch um die Frage, wie denn nun Leben und Kunst zu verbinden wäre – eine Frage, die sich ständig aufdrängt. Gedankliche Prozesse sind es jedenfalls, die den wesentlichen Ansatz  der künstlerischen Arbeit von Sarah Bildstein ausmachen. Grundsätzlich konzeptuelle Vorgangsweisen, die wesentliche  Parameter festlegen, werden aber gekippt, und dem Prozess des Entstehens genügend Spielraum zu geben. Das Ziel ist damit nicht etwas Festgelegtes, sondern etwas mit zu entwickelndes. Immer wieder geht es um dieses Anfangen. Etwas in die Welt setzen und damit vermutlich wieder einen Beginn von etwas initiieren, was vermutlich erst in der Rückschau als ein Beginn verstanden werden kann. Der zeichnerischen Exaktheit der Konturen ihrer Formelemente steht eine gar nicht so exakte Strukturierung der Flächen gegenüber. Der Eindruck der Skizzenhaftigkeit der Arbeiten – die Formen könnten sich vielleicht auch jeweils anders entwickelt haben, wird durch die zeichnerische Handschriftlichkeit  verstärkt. Der bewusste Einsatz von diversen Zeichenwerkzeugen (hier der Kopierstift – „a borrowed instrument“), Papieren und Folien bestimmt nicht nur die grundlegende Ästhetik der Blätter, er impliziert eine weitere Dimension, die der Veränderung. Was im museal, konservatorischen Bereich als „worst case“ bezeichnet werden würde, ist von Sarah bewusst intendiert. Die Zeichnungen verändern sich durch die Einwirkung von Licht bzw. durch die Überlagerung mit Folien. Die Herausforderung, diesen kleinen Ausstellungsraum zu bespielen, wirft natürlich die Frage auf, wie repräsentativ das jeweils Ausgestellte für das Werk der jeweiligen Künstlerin ist. Wesentliches ist hier angelegt, da die junge Künstlerin sich aber sehr umfassend mit unterschiedlichsten künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten/Technologien von Zeichnung über Malerei bis Skulptur – Raum und Video auseinandersetzt, sehen wir hier bestenfalls eine Facette ihrer Arbeit. Auffallend ist die große Sensibilität im Umgang mit meist einfachen, aber nicht künstlerisch einfachen Materialien (Bspl. Stahlwolle) und ihre Verortung in räumlichen Strukturen, wie sie das in einer Ausstellung im ESC Graz oder im Raum für temporäre Kunst in Köln gezeigt hat.

Heute Kunst machen, heißt in jedem Fall, eigene Orientierungen in seiner Arbeit und gegenüber ihr hervorzubringen. Wirklichkeit ist erst zu schaffen – mit den selbst gewählten Mitteln der Kunst. Kunst machen ist auch die Manifestation einer individuellen schöpferischen Leistung, durch die ein Mensch seine Sicht der Welt ausdrückt. Es kann nicht um die Auflösung von Widersprüchen gehen, sondern im Bewusstsein von Differenz und Ambivalenz neue Erfahrungen zuzulassen. Künstlerische Suchbewegungen zielen mitunter auf das Unentdeckte und das Verdrängte, auf das Befragen des Bestehenden und sie sind daher auch auf ihre gesellschaftliche Wirkkraft immer wieder neu zu untersuchen.